
Am 17. April 2025 hat die UNESCO die Sammlung Daiber zusammen mit 17 weiteren Sammlungen weltweit zum Weltdokumentenerbe erklärt. Die wertvollen Kinderzeichnungen der 1920er Jahre sind damit neben dem Behaim-Globus und der Goldenen Bulle das dritte Weltdokumentenerbe der Stadt Nürnberg. Insgesamt zählt dieses UNESCO-Register 570 Sammlungen.
Presseerklärung der UNESCO Kommission
Zeichnungen von zehnjährigen Kindern
vor 100 Jahren
Die Sammlung Daiber zählt zu den bedeutendsten Beständen der Schulgeschichtlichen Sammlung der Universität Erlangen-Nürnberg. Die über 4.500 Kinderzeichnungen stammen von Kindern aus dem Schulunterricht des Reformpädagogen Wilhelm Daiber an der Volksschule Stein bei Nürnberg während der Jahre 1924 bis 1929. Vermutlich handelt es sich um die Zeichnungen einer ausgewählten Klasse über mehrere Jahre hinweg.


Die Zeichnungen sind von beeindruckender Qualität und Intensität. Sie behandeln die Jahreszeiten, Innenansichten von Wohnungen, Tiere, florale Motive und Weihnachtsmotive, aber auch die Menschen in der Umgebung der Kinder.
Wilhelm Daiber lehrte seinen Schülerinnen und Schülern zeichnen und malen und wollte damit zugleich die Folgen der stark belastenden Zeit des Ersten Weltkriegs für die Kinder lindern.
Diese Kinder aus Arbeiter- und Landarbeiterfamilien der 1920er Jahre hatten aufgrund ihrer sozialen Herkunft eher keinen Bezug zu Kunst. Ihre karge Freizeit ließ ihnen keine Zeit und Ermunterung zum Zeichnen und Malen gab es nicht. In der Regel mussten diese Kinder in der Zeit ausserhalb der Schule für den Unterhalt ihrer Familien arbeiten.

Daiber investierte in teure Farben und gutes Papier, bestärkt die Kinder darin, ihren eigenen Interessen nachzugehen, ihr eigenes Tempo und Augenmaß zu finden. Für den Reformpädagogen war es nicht entscheidend, ob eine Kuh oder eine Blume möglichst fotorealistisch aussahen, sondern, dass die Kinder eigene Vorstellungen von den Dingen entwickelten, und echte Freude am genauen Beobachten hatten.
Irgendwann begann Daiber damit, die Kinder genau zu beobachten. Er entwickelt eine besondere Methode mit der er ihr Schaffen und ihre Konzentration noch einmal steigert. Aus dem Beobachten wurde schließlich Forschung. Durch seine Methoden und Publikationen wird Wilhelm Daiber ein deutschlandweit bekannter Reformpädagoge.
Das einzigartige an Daibers Vorgehen ist, dass er alle Bilder sammelte, nach Unterrichtstagen und Klassen sortiert und sehr sorgfältig beschriftete. Anschließend analysierte er die Zeichnungen und publizierte auch darüber.
Aktuell beschäftigt sich das Dissertationsvorhaben der Paderborner Kunsthistorikerin Regina Reimer mit dem Bestand und mit der dahinter stehenden Didaktik und Pädagogik.
Der Bestand ist besonders wertvoll für Kunsthistoriker, Pädagogen, Volkskundler und Schulgeschichtsforscher. In Kombination mit dem Nachlass, der im Germanischen Nationalmuseum lagert und weiteren Einzelbeständen bei Privatleuten und in anderen Archiven ergibt sich ein einzigartiges Forschungsfeld zum frühkindlichen Zeichnen, zur Reformpädagogik der zwanziger Jahre aber generell auch zur Wahrnehmung des Alltags von Kindern in der Weimar Republik.

Der Bestand steht in den Räumen der Sammlung zur Verfügung
für wissenschaftliche Forschung, aber gerne auch für Studierende
und Schülerinnen und Schüler:
Schulgeschichtlichen Sammlung der Universität Erlangen Nürnberg
Regensburger Straße 160, 90478 Nürnberg.
Kontakt und Terminvereinbarung: Schulmuseum@fau.de